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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: 9 U 44/00
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 3 |
Bei Vereinbarung eines Stundenhonorars für ein umfangreiches Anwaltsmandat müssen bei Streit über die Berechtigung der Vergütung der Inhalt der Mandate, die Aufgaben, die Ziele sowie die getroffenen Maßnahmen im Einzelnen dargelegt werden. Eine pauschale Beschreibung der Aufgaben und ohne Beziehung zu Leistungen gefertigte Stundenaufschriebe reichen nicht aus.
§ 3 BRAGO
Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8.11.2000 - 9 U 44/00 -.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Zivilsenate in Freiburg
Im Namen des Volkes Urteil
9 U 44/00 3 O 128/99
Verkündet am: 08. November 2000
Salb als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
wegen Forderung
hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2000 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Nökel
Richter am Oberlandesgericht Hahn
Richter am Oberlandesgericht Müller-Bütow
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts vom 04.02.2000 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beschwer des Klägers beträgt 18.607,96 DM.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Anwaltshonorar in Anspruch. Dieses wurde im wesentlichen, gestützt auf eine Honorarvereinbarung vom 03.11.1995, nach einem Stundensatz von 180,00 DM berechnet.
Nachdem die Beklagte zuvor bereits andere Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen aus Anlass des Todes ihres 1986 verstorbenen Vaters beauftragt hatte, beauftragte sie Anfang 1993 den Kläger mit der Wahrnehmung ihrer Interessen.
Die Parteien unterzeichneten am 03.11.1995 eine Honorarvereinbarung, nach der in der Mandatsangelegenheit Erbanteil der Beklagten am Nachlass des A Z und damit im Zusammenhang stehenden weiteren Mandatsangelegenheiten eine Zeitgebühr von 180,00 DM pro Anwaltsstunde nebst Auslagen, Unkosten und Abwesenheitsgeld zu zahlen ist. Die Beklagte verpflichtete sich, nach einer vorangegangenen Akontozahlung vom Mai 1993 über 7.500,00 DM in den nächsten Tagen zu einer weiteren Akontozahlung in Höhe von 27.000,00 DM. Nach Rechnungsstellungen vom 06.11.1995 und 14.05.1996 hat die Beklagte unstreitig insgesamt 51.780,00 DM gezahlt.
Gegenstand der Klage sind weitere Rechnungen des Klägers vom 05.08.1996 über 11.593,16 DM, mit der 64 Stunden für den Zeitraum 15.05.1996 bis 15.08.1996 berechnet wurden, eine Rechnung vom 22.06.1998 über 5.858,40 DM mit 32 Stunden in dem Zeitraum 08.08.1996 bis 06.11.1996 sowie eine Rechnung vom 19.02.1998 über 1.156,46 DM für die Tätigkeit in einem Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Honorarvereinbarung sei nicht zu beanstanden. Sie sei dadurch veranlasst worden, dass der Gegenstand seiner Beauftragung gebührenrechtlich schwer zu fassen gewesen sei und es sich um Einzelmandate mit jeweils unklarem Gegenstandswert gehandelt habe. Er hat unter Bezugnahme auf Stundenaufstellungen und die Möglichkeit der Prüfung anhand seiner Handakten behauptet, die in Rechnung gestellten Stunden für die Bearbeitung der jeweiligen Mandate aufgewendet zu haben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.607,96 DM zu bezahlen nebst 8 % Zinsen seit dem 12.11.1996 aus 11.593,10 DM abzüglich am 30.12.1996 geleisteter 193,10 DM sowie jeweils geleisteter 100,00 DM am 03.02.1997, 03.03.1997, 01.04.1997, 05.05.1997, 02.06.1997, 01.07.1997, 04.08.1997, 12.09.1997 und 06.10.1997 sowie 8 % Zinsen seit dem 09.03.1998 aus 1.156,46 DM sowie 8 % Zinsen seit dem 03.08.1998 aus 5.858,40 DM.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Berechtigung der vom Kläger in Rechnung gestellten Arbeitsstunden bestritten und im übrigen geltend gemacht, die Gebührenvereinbarung sei unwirksam. Der Kläger habe die Beklagte pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass der dadurch begründete Honoraranspruch wesentlich höher sei als die gesetzlichen Gebühren. Darüber hinaus sei die Vereinbarung unwirksam, wucherisch und auch sittenwidrig, da der Kläger ihre schon damals desolaten finanziellen Verhältnisse gekannt habe. Im übrigen hat sie Verjährung eingewendet. Gegenüber der Honorarforderung für das Prozesskostenhilfe-Verfahren macht sie einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat offengelassen, ob die auf Stundenbasis abgerechneten Honorare deswegen nicht gefordert werden können, weil die zugrunde liegende Vereinbarung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Die Klage sei jedenfalls deshalb nicht begründet, weil der Kläger nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt habe, welchen Inhalt und welchen Umfang das ihm erteilte Mandat bzw. die ihm erteilten Mandate hatten und inwiefern bei ihrer Bearbeitung die abgerechneten Stunden jeweils für welche Tätigkeit angefallen sind. Bezüglich des Honorars für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren hat es einen gleich hohen Schadensersatzanspruch der Beklagten bejaht.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch zum Sachverhalt, wird auf das Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ergänzt sein Vorbringen erster Instanz. Der Auftrag der Beklagten habe zunächst zum Inhalt gehabt, die Vollständigkeit des vom Testamentsvollstrecker auf einem amtlichen Vordruck zusammengestellten Nachlassverzeichnisses festzustellen. Die zum Nachlass gehörenden GmbH und Anteile an anderen Gesellschaften, Immobilien, Wertpapiere, Lebensversicherungen usw. hätten mittels Status u.a. aufgeklärt werden müssen. Spezielle Steuersachen hätten geklärt werden müssen. Umfangreiche Besprechungen hätten stattfinden müssen, um die notwendigen Klärungen zu erreichen. Bezüglich der Anzahl der Stunden wiederholt er seinen Beweisantrag durch Vorlage der Handakte. Im übrigen sei unter Beweis gestellt, dass seine Abrechnungen auf Honorarbasis sehr entgegenkommend erfolgt seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 04.02.2000 abzuändern und die Beklagte entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ergänzt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das sie für richtig hält.
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten weder die nach Stunden abgerechneten Honorare noch das Honorar von 1.156,46 DM für seine Tätigkeit im Prozesskostenprüfungsverfahren beim Landgericht Frankfurt beanspruchen.
Es bedarf keiner Erörterung, ob die den Honorarnoten zugrunde liegende Vereinbarung vom 03.11.1995 wirksam ist. Es ist allerdings bereits ungewöhnlich, dass rückwirkend für einen Zeitraum von 2 1/2 Jahren eine Abrechnung nach Stunden vereinbart wurde. Zum einen bestand mangels entsprechender Vereinbarung für diesen Zeitraum kein Anlass den Zeitaufwand für einzelne Tätigkeiten zu registrieren. Zum anderen konnten, so die Stunden doch festgehalten wurden, diese in der Vereinbarung benannt und das Honorar berechnet werden. Es ist daher naheliegend, dass die Beklagte in Bezug auf eine sonst nur mögliche Abrechnung der gesetzlichen Gebühren nach einzelnen Aufträgen die Tragweite nicht erkennen konnte und dem Kläger dies bewusst war. Diese Fragen bedürfen aber keiner Vertiefung, da der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht im einzelnen dargetan hat, welchen Inhalt das ihm erteilte Mandat oder ihm erteilte Einzelmandate hatten und welche Aufgaben er im einzelnen, insbesondere welche genauen Ziele er zu verfolgen hatte. Auch die im Berufungsverfahren geschilderten Problemfelder lassen nicht erkennen, welche Einzelaufgaben mit welchen Zielsetzungen der Kläger gegenüber der Beklagten übernommen hatte und mit welchen Maßnahmen und hieraus resultierendem Zeitaufwand er diesen Aufgaben nachgekommen ist. Allein die pauschale Beschreibung seiner Aufgaben und die ohne Beziehung hierzu gefertigten Stundenaufschriebe ermöglichen keine Prüfung der Berechtigung der aufgelisteten Arbeitsstunden des Klägers und keinen Vergleich mit den gesetzlichen Gebühren. Auch ein Blick in die Handakte führt insoweit nicht weiter. Es reicht nicht aus, dass der Kläger Beweis dafür antritt, dass er überhaupt in diesem Umfang Arbeitsstunden aufgewendet hat und mit der Beklagten Einvernehmen bestand. Für die Annahme eines vertragliches Anerkenntnisses reicht der Vortrag des Klägers nicht aus.
Für seine Tätigkeit im Prozesskostenprüfungsverfahren kann der Kläger keine Vergütung verlangen, da er in gleicher Höhe der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet ist. Zwar ergibt sich kein Schadensersatzanspruch daraus, dass der Kläger in diesem Verfahren Frankfurter Rechtsanwälte beauftragt hat. Es war zumindest nicht sachwidrig, bereits im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Frankfurter Rechtsanwälte zu beauftragen, da zum damaligen Zeitpunkt für das Hauptverfahren ohnehin beim Landgericht Frankfurt zugelassene Rechtsanwälte beauftragt werden mussten. Der Beklagten ist dadurch jedenfalls kein Schaden entstanden, da das Verfahren in der Hauptsache fortgeführt wurde und deshalb beim Landgericht Frankfurt zugelassene Anwälte beauftragt werden mussten. Erst die Änderung des § 78 Abs. 3 ZPO zum 01.01.2000 hat es ermöglicht, dass auch ein beim Landgericht K. zugelassener Rechtsanwalt vor dem Landgericht Frankfurt auftreten kann. Zu diesem Zeitpunkt waren aber bereits die Kosten der beim Landgericht Frankfurt zugelassenen Anwälte entstanden. Gesonderte Gebühren dieser Anwälte für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren sind nicht angefallen.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aber daraus, dass der Kläger der Beklagten deshalb Grund zu fristlosen Kündigung des Mandats gegeben hat, weil er, wie bereits ausgeführt, der Beklagten gegenüber nicht ordnungsgemäß abgerechnet hat. Er muss daher der Klägerin den Schaden ersetzen, der ihr durch die vorzeitige Beendigung des Mandats entstanden ist. Dieser Schaden besteht darin, dass die Beklagte im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren einen anderen Anwalt beauftragen musste, bei dem nochmals die gleichen Gebühren entstanden sind. Diese Forderung kann sie der Forderung des Klägers als Schaden entgegenhalten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10; 713, 546 Abs. 1 und 2 ZPO. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht, ist die Revision nicht zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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